Rechte und Pflichten von Genossenschaftsmitgliedern
Gliederung:
1. Voraussetzungen für die Mitgliedschaft
2. Rechte der Mitglieder
Mitbestimmung
Anspruch auf Förderung
Informations und Kontrollrechte
3. Pflichten der Mitglieder
Beitragspflichten
Loyalität und Treuepflicht gegenüber der Genossenschaft
4. Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und der Genossenschaft
Anfechtung von Beschlüssen
Ausschlussverfahren
5. Rechtsprechung: Konflikte und Präzedenzfälle
6. Praxisbeispiel: Ein Mitglied klagt auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen
Einleitung
Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft bietet nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern bringt auch Rechte und Pflichten mit sich. Diese dienen dazu, den Förderzweck der Genossenschaft zu gewährleisten und das Gleichgewicht zwischen den Interessen der Mitglieder und der Genossenschaft zu wahren. Dieser Beitrag analysiert die rechtlichen Grundlagen der Mitgliedschaft, beleuchtet typische Konflikte und stellt relevante Urteile vor.
1. Voraussetzungen für die Mitgliedschaft
1.1 Erwerb der Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft setzt laut § 15 GenG voraus:
Antragstellung durch die interessierte Person,
Annahme durch die Genossenschaft, in der Regel durch den Vorstand.
Die Mitgliedschaft beginnt erst mit der Eintragung des Mitglieds in die Mitgliederliste (§ 16 GenG).
1.2 Beendigung der Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft kann durch folgende Ereignisse beendet werden:
Kündigung des Mitglieds (§ 18 GenG),
Tod des Mitglieds (§ 77 GenG),
Ausschluss (§ 8 GenG).
2. Rechte der Mitglieder
2.1 Mitbestimmung (§ 43 GenG)
Die Mitglieder haben ein wesentliches Mitbestimmungsrecht in der Generalversammlung:
Abstimmung über wichtige Beschlüsse wie die Satzung oder die Verwendung von Gewinnen.
Wahl des Aufsichtsrats (§ 36 GenG).
2.2 Anspruch auf Förderung
Der Förderzweck ist das Herzstück jeder Genossenschaft. Jedes Mitglied hat Anspruch darauf, dass die Genossenschaft ihre Tätigkeiten so ausführt, dass der Erwerb oder die Wirtschaft der Mitglieder gefördert wird (§ 1 GenG).
Relevante Rechtsprechung:
BGH, Urteil vom 24.03.2016 (Az. IX ZR 232/15): Ein Mitglied kann auf die Erfüllung des Förderzwecks klagen, wenn dieser vernachlässigt wird.
2.3 Informations und Kontrollrechte
Mitglieder können gemäß § 51a GenG:
Einsicht in die Geschäftsunterlagen verlangen,
eine Auskunft über die wirtschaftliche Lage der Genossenschaft fordern.
3. Pflichten der Mitglieder
3.1 Beitragspflichten
Mitglieder sind verpflichtet, Anteile zu zeichnen und die vereinbarten Einlagen zu leisten (§ 7 GenG). Die Höhe der Einlagen ist in der Satzung festgelegt.
Nachschusspflichten (§ 6 GenG): In manchen Satzungen kann eine Nachschusspflicht vereinbart werden, die Mitglieder im Insolvenzfall zu weiteren Zahlungen verpflichtet.
3.2 Loyalitäts und Treuepflichten
Die Mitglieder sind verpflichtet, die Interessen der Genossenschaft zu wahren und diese nicht durch wettbewerbswidriges Verhalten oder Verleumdung zu schädigen.
4. Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und der Genossenschaft
4.1 Anfechtung von Beschlüssen
Beschlüsse der Generalversammlung können von Mitgliedern angefochten werden, wenn sie rechtswidrig oder gegen die Satzung verstoßen (§ 51 GenG).
Relevante Rechtsprechung:
BGH, Urteil vom 08.02.2005 (Az. II ZR 50/03): Ein Mitglied hat das Recht, Beschlüsse anzufechten, die gegen die Transparenzpflicht der Satzung verstoßen.
4.2 Ausschlussverfahren
Mitglieder können ausgeschlossen werden, wenn sie ihre Pflichten verletzen oder die Genossenschaft schädigen (§ 8 GenG). Das Verfahren muss formal korrekt durchgeführt werden.
5. Rechtsprechung: Konflikte und Präzedenzfälle
5.1 Urteil zur Einsichtnahme in Unterlagen
BGH, Urteil vom 10.12.2015 (Az. II ZR 78/14):
Ein Mitglied hatte Einsicht in die Geschäftsunterlagen gefordert. Der BGH entschied, dass dieses Recht auch dann besteht, wenn der Vorstand der Ansicht ist, die Unterlagen seien nicht relevant.
5.2 Urteil zur Nachschusspflicht
BGH, Urteil vom 15.07.2020 (Az. IX ZR 44/19):
Mitglieder sind nur dann zu Nachschüssen verpflichtet, wenn dies explizit in der Satzung geregelt ist.
6. Praxisbeispiel: Einsichtsrecht eines Mitglieds
Problemstellung:
Ein Mitglied fordert Einsicht in die Protokolle der Generalversammlung, um zu prüfen, ob die Verwendung der Rücklagen satzungsgemäß ist. Der Vorstand verweigert die Einsicht mit der Begründung, die Unterlagen seien vertraulich.
Lösung:
Gemäß § 51a GenG steht dem Mitglied das Einsichtsrecht zu, sofern keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Eine Verweigerung könnte gerichtlich angefochten werden.
Fazit
Die Rechte und Pflichten der Mitglieder einer Genossenschaft sind klar im Genossenschaftsgesetz geregelt, doch Streitigkeiten sind in der Praxis nicht selten. Eine sorgfältige Satzungsgestaltung und transparente Kommunikation können Konflikte minimieren. Die Rechtsprechung zeigt, dass Mitglieder ihre Rechte effektiv einfordern können, insbesondere bei Informations und Mitbestimmungsrechten.