#Allgemeines

Das Organ der Generalversammlung und die Rolle der Mitglieder

Gliederung:

1. Bedeutung der Generalversammlung in der Genossenschaft
2. Zusammensetzung und Befugnisse der Generalversammlung
3. Rechte und Pflichten der Mitglieder in der Generalversammlung
4. Beschlussfassung und deren Anfechtung
5. Typische Konfliktfelder und deren rechtliche Klärung
6. Fallstudie: Ein Beschluss der Generalversammlung und die rechtlichen Konsequenzen

Einleitung

Die Generalversammlung ist das zentrale Organ der Willensbildung in einer Genossenschaft. Sie bietet den Mitgliedern die Möglichkeit, aktiv an der Entscheidungsfindung mitzuwirken und die Geschicke der Genossenschaft mitzugestalten. Gleichzeitig regeln das Genossenschaftsgesetz (GenG) und die Satzung klare Vorgaben für die Befugnisse, Abläufe und Beschlussfassung der Generalversammlung. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtliche Struktur der Generalversammlung, analysiert typische Konflikte und zeigt, wie die Rechtsprechung zur Klärung beiträgt.

1. Bedeutung der Generalversammlung in der Genossenschaft

Die Generalversammlung ist das höchste Organ der Genossenschaft und Ausdruck des demokratischen Prinzips, das jede Genossenschaft prägt.

1.1 Funktion und Bedeutung
Sie ist der Ort, an dem alle Mitglieder ihre Rechte ausüben können, insbesondere das Stimmrecht (§ 43 GenG).
Die Generalversammlung stellt sicher, dass wichtige Entscheidungen von der Mehrheit der Mitglieder getragen werden.

1.2 Rechtsgrundlagen
§ 43 GenG definiert die Aufgaben und Befugnisse der Generalversammlung.
Die Satzung konkretisiert die Rechte und Pflichten der Generalversammlung in der jeweiligen Genossenschaft.

2. Zusammensetzung und Befugnisse der Generalversammlung

2.1 Zusammensetzung
Die Generalversammlung besteht aus allen Mitgliedern der Genossenschaft, unabhängig von der Anzahl ihrer Geschäftsanteile (§ 43 GenG).
Jedes Mitglied hat grundsätzlich eine Stimme, es sei denn, die Satzung sieht ein abweichendes Stimmgewicht vor (§ 43 Abs. 3 GenG).

2.2 Befugnisse
Wahl des Aufsichtsrats (§ 36 GenG): Mitglieder wählen und entlassen die Mitglieder des Aufsichtsrats.
Genehmigung des Jahresabschlusses (§ 48 GenG): Die Generalversammlung entscheidet über die Verwendung des Gewinns oder die Deckung von Verlusten.
Beschluss über Satzungsänderungen (§ 45 GenG): Änderungen der Satzung bedürfen einer qualifizierten Mehrheit, in der Regel drei Viertel der abgegebenen Stimmen.
Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 48 GenG): Mitglieder entscheiden über die Entlastung der Führungsorgane.

3. Rechte und Pflichten der Mitglieder in der Generalversammlung

3.1 Rechte der Mitglieder
Stimmrecht (§ 43 GenG):
Jedes Mitglied hat mindestens eine Stimme. Die Satzung kann zusätzliche Stimmen für Mitglieder mit mehreren Anteilen vorsehen.
Fragerecht: Mitglieder haben das Recht, Auskünfte über die wirtschaftliche Lage der Genossenschaft zu verlangen (§ 34 GenG).
Antragsrecht: Mitglieder können Anträge zur Tagesordnung stellen, sofern sie die dafür vorgesehene Frist einhalten.

3.2 Pflichten der Mitglieder
Teilnahmepflicht: Eine regelmäßige Teilnahme an der Generalversammlung wird von den Mitgliedern erwartet, insbesondere bei wichtigen Entscheidungen.
Loyalitätspflicht: Mitglieder sind verpflichtet, die Entscheidungen der Generalversammlung zu respektieren, solange sie nicht rechtswidrig sind.

4. Beschlussfassung und deren Anfechtung

4.1 Ablauf der Beschlussfassung
Einberufung der Generalversammlung (§ 46 GenG):
Der Vorstand beruft die Generalversammlung ein. Die Einladung muss die Tagesordnung enthalten und fristgerecht erfolgen.
Beschlussfähigkeit: Die Generalversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen wurde.
Abstimmungen: Beschlüsse werden in der Regel mit einfacher Mehrheit gefasst, es sei denn, die Satzung verlangt eine qualifizierte Mehrheit (§ 45 GenG).

4.2 Anfechtung von Beschlüssen
Rechtsgrundlagen (§ 51 GenG):
Mitglieder können Beschlüsse der Generalversammlung anfechten, wenn diese gegen das Gesetz oder die Satzung verstoßen.
Frist: Die Anfechtung muss innerhalb von zwei Monaten nach Beschlussfassung erfolgen.
Rechtsprechung:
BGH, Urteil vom 21.07.2005 (Az. II ZR 233/04): Ein Beschluss, der ohne ordnungsgemäße Einberufung der Generalversammlung gefasst wurde, ist nichtig.

5. Typische Konfliktfelder und deren rechtliche Klärung

5.1 Konflikt um Stimmrecht
Problem: Mitglieder mit größeren Anteilen fordern ein höheres Stimmgewicht.
Lösung: Klärung durch die Satzung und ggf. gerichtliche Überprüfung.

5.2 Unvollständige Tagesordnung
Problem: Ein Beschluss wurde zu einem Thema gefasst, das nicht auf der Tagesordnung stand.
Lösung: Solche Beschlüsse sind anfechtbar (§ 51 GenG).

5.3 Mehrheitsentscheidungen
Problem: Eine knappe Mehrheit setzt Beschlüsse durch, die von einer großen Minderheit abgelehnt werden.
Lösung: Gerichtliche Prüfung, ob die Beschlüsse gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen.

6. Fallstudie: Ein Beschluss der Generalversammlung und die rechtlichen Konsequenzen

Fall:
In einer Wohnungsbaugenossenschaft beschließt die Generalversammlung eine Erhöhung der Mitgliederbeiträge, ohne dass dieses Thema auf der Tagesordnung stand. Ein Mitglied klagt gegen den Beschluss.

Analyse:
Rechtslage: Nach § 46 GenG müssen alle Themen, über die abgestimmt wird, in der Tagesordnung angekündigt sein.
Rechtsprechung: Der BGH hat in mehreren Urteilen klargestellt, dass Beschlüsse, die ohne Ankündigung gefasst werden, nichtig sind (BGH, Urteil vom 12.03.2018, Az. II ZR 78/17).

Ergebnis:
Das Gericht erklärt den Beschluss für nichtig. Die Genossenschaft muss die Generalversammlung erneut einberufen.

Fazit

Die Generalversammlung ist das demokratische Herzstück einer Genossenschaft. Sie ermöglicht den Mitgliedern, aktiv über die Geschicke der Genossenschaft zu entscheiden. Gleichzeitig birgt sie Konfliktpotenzial, insbesondere bei Beschlüssen, die rechtliche oder satzungsmäßige Vorgaben verletzen. Eine transparente Satzung und die strikte Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sind entscheidend, um Streitigkeiten zu vermeiden.

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