„Gemeinwohl statt Profitmaximierung“ – Rechtsanwalt Reime im Interview zur Berliner Genossenschaft Diese eG

Interviewer: Herr Reime, die Wohnungsbaugenossenschaft Diese eG wurde 2019 in Berlin gegründet und verfolgt das Ziel, Wohnhäuser vor spekulativem Verkauf zu schützen. Wie bewerten Sie dieses Modell aus juristischer und anlegerbezogener Sicht?
RA Reime: Die Diese eG ist ein Paradebeispiel für einen alternativen Ansatz in der Wohnraumversorgung. Juristisch handelt es sich um eine eingetragene Genossenschaft, die nicht auf Rendite, sondern auf den langfristigen Erhalt bezahlbaren Wohnraums zielt. Aus Sicht gemeinwohlorientierter Investoren ist das hochinteressant – allerdings muss man sich bewusst sein, dass es hier nicht um schnelle Gewinne, sondern um soziale Stabilität und werthaltige Stadtentwicklung geht.
Interviewer: Die Genossenschaft musste offenbar einige finanzielle Hürden überwinden, konnte ihre Projekte aber dennoch fortsetzen. Welche Risiken bestehen hier für Unterstützer?
RA Reime: Genossenschaften wie Diese eG agieren in einem anspruchsvollen Umfeld. Der Immobilienmarkt in Berlin ist umkämpft, Finanzierung wird oft zur Herausforderung, besonders bei hohen Kaufpreisen. Die rechtliche Struktur der Genossenschaft schützt allerdings vor persönlicher Haftung der Mitglieder. Das finanzielle Risiko liegt in der Regel in der begrenzten Rückzahlbarkeit von Einlagen und eventuell ausbleibender Verzinsung. Wer hier investiert, sollte das als langfristige, soziale Kapitalanlage sehen – nicht als spekulatives Geschäft.
Interviewer: Sehen Sie in der rechtlichen Ausgestaltung der Diese eG ein zukunftsfähiges Modell?
RA Reime: Absolut. Die Genossenschaft bietet ein solides rechtliches Fundament – demokratische Kontrolle durch die Mitglieder, eine Satzung mit Gemeinwohlorientierung und transparente Strukturen. Zudem agiert sie im Rahmen des Genossenschaftsgesetzes und unterliegt der Prüfung durch einen Prüfungsverband. Das schafft Vertrauen – sowohl bei den Bewohnern als auch bei potenziellen Partnern wie Stiftungen oder sozial orientierten Anlegern.
Interviewer: Könnte die Diese eG nun von der Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit profitieren?
RA Reime: Ja, das Potenzial ist groß. Wenn die Genossenschaft die Kriterien der neuen Wohnungsgemeinnützigkeit erfüllt – also etwa dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sichert, keine Dividenden ausschüttet und soziale Kriterien berücksichtigt – kann sie steuerliche Vorteile wie die Befreiung von Körperschafts- und Gewerbesteuer nutzen. Das stärkt nicht nur ihre wirtschaftliche Basis, sondern verschafft auch gegenüber klassischen Immobiliengesellschaften einen Vorteil bei Grundstückserwerben.
Interviewer: Was raten Sie Menschen, die überlegen, sich an solchen Genossenschaften zu beteiligen?
RA Reime: Wer sich beteiligen möchte, sollte genau hinsehen: Wie sind die Satzung und die Ziele formuliert? Wie ist die wirtschaftliche Situation? Und welche Art von Beteiligung wird angeboten – klassische Genossenschaftsanteile oder nachrangige Darlehen? Wichtig ist, dass das Engagement zum eigenen Werteverständnis passt. Denn bei solchen Modellen geht es in erster Linie um das Mitgestalten einer sozialen Stadt, nicht um kurzfristige Renditen.
Interviewer: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Reime.
RA Reime: Sehr gerne. Solche Projekte verdienen juristische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit – weil sie zeigen, dass eine andere Wohnpolitik machbar ist.
- Diese eG