Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime: Millionenbetrug mit Schein-Beitritten – Was Anleger jetzt wissen müssen

Interviewer: Herr Reime, der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines Ehepaars und ihres Sohnes wegen Millionenbetrugs mit fingierten Genossenschaftsbeitritten bestätigt. Können Sie kurz erklären, wie dieser Betrug funktioniert hat?
Rechtsanwalt Reime: Ja, in diesem Fall hat die Familie über eine angebliche Genossenschaft Anleger angeworben. Die Beitritte wurden über Onlineformulare ohne qualifizierte Unterschrift abgeschlossen – und damit waren sie rechtlich unwirksam. Trotzdem hat die Genossenschaft von den Arbeitgebern der Anleger vermögenswirksame Leistungen eingefordert. So kamen insgesamt mindestens 16.000 Scheinbeitritte zusammen, was einen Schaden von rund 6,7 Millionen Euro verursacht hat.
Interviewer: Der BGH hat nun die Urteile bestätigt. Was waren die zentralen Punkte der Entscheidung?
Rechtsanwalt Reime: Der Bundesgerichtshof hat klar gesagt: Solche Beitritte sind ohne qualifizierte Unterschrift nicht wirksam. Wer auf dieser Grundlage Gelder einzieht, begeht Betrug. Deshalb hat der BGH die Verurteilungen zu Haftstrafen von drei bis fast sechs Jahren bestätigt. Dieses Urteil setzt ein klares Signal: Formvorschriften sind zwingend einzuhalten, gerade im Bereich der Genossenschaften.
Interviewer: Was bedeutet das für betroffene Anleger? Gibt es eine Chance, verlorenes Geld zurückzubekommen?
Rechtsanwalt Reime: Grundsätzlich ja. Anleger, deren Gelder auf Basis dieser fingierten Beitritte abgebucht wurden, haben Ansprüche auf Rückerstattung. Wichtig ist, Belege zu sichern – zum Beispiel Lohnabrechnungen, Überweisungsnachweise und Korrespondenz mit der Genossenschaft. Dann kann man prüfen, ob Rückforderungen oder sogar Schadensersatz geltend gemacht werden können.
Interviewer: Wie können Anleger sich in Zukunft vor solchen Betrugsmodellen schützen?
Rechtsanwalt Reime: Vorsicht bei Online-Beitritten und extrem einfachen Anmeldeprozessen. Bei Genossenschaften ist in der Regel eine schriftliche Beitrittserklärung mit Originalunterschrift erforderlich. Wer unsicher ist, sollte vorab prüfen, ob die Organisation tatsächlich im Genossenschaftsregister eingetragen ist. Ein weiterer Tipp: Angebote hinterfragen, die zu schön klingen, um wahr zu sein – vor allem, wenn Renditen ohne Risiko versprochen werden.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Reime, für die Einschätzungen.