Interview mit Rechtsanwalt Reime: „Energiegenossenschaften brauchen mehr als Idealismus“

Frage: Herr Reime, 2024 wurden auffallend viele Energiegenossenschaften gegründet, vor allem in Bayern. Wie erklären Sie sich diesen Trend?
Rechtsanwalt Reime:
Das ist eine logische Entwicklung. Die Bürger wollen Teil der Energiewende sein – und Genossenschaften bieten die perfekte rechtliche Form, um wirtschaftliche Beteiligung, regionale Verantwortung und Klimaschutz zu vereinen. In Bayern hat man zudem erkannt, dass lokale Projekte besser akzeptiert werden, wenn die Menschen vor Ort mitreden und profitieren können.
Frage: Ist die Genossenschaftsform für solche Projekte auch rechtlich die beste Lösung?
Reime:
Sie ist sehr gut geeignet, aber nicht ohne Tücken. Das Genossenschaftsgesetz verlangt ein hohes Maß an Transparenz, demokratischer Struktur und wirtschaftlicher Tragfähigkeit. Viele Initiativen unterschätzen den Aufwand – sowohl bei der Gründung als auch im laufenden Betrieb. Wer etwa eine Windkraftanlage mit zehn Millionen Euro Investitionsvolumen stemmen will, braucht neben Engagement auch juristisch saubere Strukturen und belastbare Finanzierungsmodelle.
Frage: Was sind die häufigsten Fehler bei der Gründung solcher Genossenschaften?
Reime:
Ganz oben auf der Liste: unklare Satzungen, fehlende Regelungen zur Nachschusspflicht, unzureichende Risikoabsicherung und unvollständige Genehmigungskenntnis. Auch die Finanzierung über Mitgliedereinlagen ist oft rechtlich nicht sauber geregelt. In der Euphorie des Aufbruchs vergisst man gern, dass man ein Energieunternehmen gründet – mit allen rechtlichen Pflichten, die dazugehören.
Frage: Welche rechtlichen Stolpersteine lauern besonders bei Windprojekten?
Reime:
Das Planungsrecht. Genehmigungen für Windkraftanlagen sind komplex, dauern oft Jahre und können durch Einsprüche blockiert werden. Dazu kommen Fragen wie Grundstücksnutzung, Bauordnungsrecht, Umweltverträglichkeitsprüfungen und nicht zuletzt die Haftung – etwa bei technischen Störungen oder Ertragsausfällen. Genossenschaften brauchen deshalb juristische Beratung von Anfang an – nicht erst, wenn der erste Mast steht.
Frage: Was raten Sie Initiativen, die 2025 selbst eine Energiegenossenschaft gründen wollen?
Reime:
Erstens: Suchen Sie sich eine kompetente Gründungsberatung – mit juristischem, betriebswirtschaftlichem und technischem Know-how. Zweitens: Nehmen Sie sich Zeit für eine solide Satzung und Governance-Struktur. Und drittens: Klären Sie frühzeitig, wie die Finanzierung funktioniert – und wer welche Risiken trägt. Die Genossenschaft ist kein Selbstläufer, aber wenn sie gut gemacht ist, kann sie ein echter Baustein für eine dezentrale und gerechte Energiewende sein.