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Interview mit Rechtsanwalt Reime: „Für viele Waldgenossenschaften geht es um die strukturelle Überlebensfähigkeit“

aerial view of green trees

Frage: Herr Reime, in Thüringen laufen aktuell die Generalversammlungen der rund 350 Waldgenossenschaften. Was macht diese Treffen in diesem Jahr so besonders?

Rechtsanwalt Reime: Diese Generalversammlungen sind weit mehr als formale Pflichttermine. In vielen Fällen stehen richtungsweisende Entscheidungen an – etwa Umstrukturierungen oder sogar die Auflösung von Forstbetriebsgemeinschaften. Angesichts zunehmender Herausforderungen wie Klimawandel, Käferbefall, gestiegener Bewirtschaftungskosten und schwankender Holzpreise geht es für einige Waldgenossenschaften um die strukturelle Zukunftsfähigkeit – oder sogar ums wirtschaftliche Überleben.

Frage: Welche rechtlichen Fallstricke sehen Sie dabei?

Reime: Gerade bei Umstrukturierungen – sei es Fusionen, Änderungen in der Satzung oder bei der Vermögensverwaltung – müssen die genossenschaftlichen Grundprinzipien eingehalten werden: Transparenz, Gleichbehandlung der Mitglieder und die korrekte Einberufung und Durchführung der Generalversammlung. Eine fehlerhafte Beschlussfassung kann im Nachhinein erhebliche rechtliche Konsequenzen haben – bis hin zur Anfechtbarkeit wichtiger Entscheidungen.

Frage: Kommt es aktuell häufiger zu Auflösungen?

Reime: Ja, wir beobachten in der Praxis durchaus, dass kleinere oder weniger aktive Genossenschaften überlegen, sich aufzulösen oder mit anderen zu verschmelzen. Das ist an sich kein Drama – vorausgesetzt, es erfolgt geordnet und rechtssicher. Die rechtliche Begleitung solcher Prozesse ist aber unerlässlich, insbesondere wenn gemeinschaftliches Eigentum, Pachtverträge oder Fördermittel betroffen sind.

Frage: Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die Eigentümerinnen und Eigentümer, also die Genossenschaftsmitglieder?

Reime: Eine zentrale. Die Mitglieder sind nicht nur Miteigentümer des Waldes, sie tragen auch Mitverantwortung für die strategische Ausrichtung. Umso wichtiger ist es, dass sie umfassend informiert werden, aktiv teilnehmen und ihre Stimme nutzen. Viele Entscheidungen erfordern qualifizierte Mehrheiten – hier sind Rechtsberatung und transparente Kommunikation entscheidend.

Frage: Was raten Sie Waldgenossenschaften, die aktuell vor strukturellen Entscheidungen stehen?

Reime: Mein Rat lautet: Lassen Sie sich frühzeitig rechtlich beraten, analysieren Sie Ihre Satzung gründlich und prüfen Sie, ob sie noch zu Ihrer realen Organisationsstruktur passt. In vielen Fällen sind Satzungen Jahrzehnte alt und nicht mehr auf aktuelle Herausforderungen zugeschnitten. Wer zukunftsfähig bleiben will, muss auch juristisch nachrüsten.

Frage: Sehen Sie trotz der Herausforderungen auch Chancen?

Reime: Auf jeden Fall. Gerade durch den wachsenden gesellschaftlichen Fokus auf Klimaschutz und nachhaltige Waldwirtschaft ergeben sich neue Fördermöglichkeiten und Partnerschaften. Wer sich rechtzeitig strategisch neu aufstellt, kann auch wirtschaftlich davon profitieren – etwa durch Kooperationen, Dienstleistungsangebote oder eine moderne Holzvermarktung.

Frage: Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Reime.

Reime: Sehr gern. Die Waldgenossenschaften sind ein wichtiges Beispiel dafür, wie regionales Eigentum und gemeinschaftliche Verantwortung in der Praxis funktionieren können – wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen.

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