Interview mit Rechtsanwalt Reime: Genossenschaften als Zukunftsmodell?

Frage: Herr Reime, im Jahr 2024 wurden in Bayern 33 neue Genossenschaften gegründet. Was sagt das über die Attraktivität dieses Wirtschaftsmodells aus?
Rechtsanwalt Reime: Die Zahl der Neugründungen zeigt deutlich, dass Genossenschaften weiterhin ein beliebtes und zukunftsfähiges Modell für wirtschaftliches Handeln sind. Sie ermöglichen es, gemeinschaftliche Interessen zu bündeln und wirtschaftliche Vorteile zu realisieren, ohne auf rein profitorientierte Strukturen setzen zu müssen. Besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten oder steigender Finanzierungskosten kann die genossenschaftliche Organisation eine attraktive Alternative sein.
Frage: In welchen Branchen sind diese neuen Genossenschaften entstanden, und welche Bedeutung hat dies für die regionale Wirtschaft?
Rechtsanwalt Reime: Die Neugründungen verteilen sich auf eine Vielzahl von Branchen, darunter Energieprojekte, IT-Dienstleistungen, nachhaltige Landwirtschaft und soziale Initiativen. Dies zeigt, dass das Modell nicht nur auf den traditionellen Bankensektor oder landwirtschaftliche Kooperationen beschränkt ist, sondern auch moderne und innovative Geschäftsmodelle unterstützt. Besonders im Bereich erneuerbare Energien spielen Genossenschaften eine Schlüsselrolle, da sie Bürgerbeteiligung und regionale Wertschöpfung miteinander verbinden. Das stärkt nicht nur die lokale Wirtschaft, sondern trägt auch zur dezentralen Energieversorgung und damit zur Energiewende bei.
Frage: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sollten Gründer beachten, wenn sie eine Genossenschaft ins Leben rufen möchten?
Rechtsanwalt Reime: Die Gründung einer Genossenschaft erfordert eine solide rechtliche und wirtschaftliche Basis. Zunächst müssen sich mindestens drei Mitglieder zusammenschließen und eine Satzung ausarbeiten, die von einem genossenschaftlichen Prüfverband geprüft wird. Zudem sind Transparenz und Mitbestimmung zentrale Elemente, die in der Satzung klar geregelt sein sollten. Wichtig ist auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit: Genossenschaften müssen einen klaren Geschäftszweck verfolgen und sicherstellen, dass ihre Mitglieder langfristig davon profitieren.
Frage: Gibt es besondere rechtliche Herausforderungen für neue Genossenschaften?
Rechtsanwalt Reime: Eine der größten Herausforderungen ist die Einhaltung der genossenschaftlichen Prüfpflichten. Anders als bei anderen Gesellschaftsformen unterliegen Genossenschaften einer regelmäßigen externen Prüfung durch genossenschaftliche Prüfverbände. Dies stellt sicher, dass wirtschaftliche Risiken minimiert und die Mitgliederinteressen gewahrt bleiben. Zudem ist die Finanzierung oft eine Hürde, da Genossenschaften nicht die klassischen Investorenstrukturen wie Kapitalgesellschaften haben. Hier kann jedoch die Beteiligung der Mitglieder als Eigenkapitalgeber einen wichtigen Vorteil bieten.
Frage: Welche Zukunft sehen Sie für das Genossenschaftsmodell, insbesondere in Bayern?
Rechtsanwalt Reime: Das Genossenschaftsmodell hat in Bayern eine lange Tradition und wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Angesichts aktueller wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen, wie der Energiewende, dem Fachkräftemangel und der Digitalisierung, bieten Genossenschaften eine flexible und gemeinschaftsorientierte Lösung. Ich rechne damit, dass wir in den kommenden Jahren noch mehr Neugründungen sehen werden, insbesondere in den Bereichen nachhaltige Wirtschaft, soziale Dienstleistungen und technologiegetriebene Geschäftsmodelle.