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Interview mit Rechtsanwalt Reime: „Genossenschaften wie die SelbstBaue.G. sind ein wichtiger Baustein für sozialen Wohnraum – aber Transparenz ist entscheidend“

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Interviewer: Herr Reime, die Berliner Wohnungsbaugenossenschaft SelbstBaue.G. bewirtschaftet inzwischen fast 600 Wohnungen und hat Fördermittel vom Land Berlin erhalten. Wie bewerten Sie solche Modelle aus juristischer Sicht?

Rechtsanwalt Reime: Grundsätzlich sehr positiv. Genossenschaften wie die SelbstBaue.G. verfolgen das Ziel, bezahlbaren Wohnraum gemeinschaftlich zu schaffen und zu verwalten – ohne Gewinnorientierung. Das ist angesichts steigender Mieten in Städten wie Berlin eine wichtige Alternative. Wenn das Modell gut organisiert ist und die Mitglieder wirklich mitbestimmen können, dann profitieren alle Beteiligten. Aber: Damit das funktioniert, braucht es klare Regeln, demokratische Strukturen und eine verantwortungsvolle Verwendung öffentlicher Fördermittel.

Interviewer: Im März 2025 hat die Berliner Senatsverwaltung rund 41,8 Millionen Euro Fördermittel für neue Wohnungen bereitgestellt. 26 davon gingen an die SelbstBaue.G. Was bedeutet das für die Genossenschaft?

Rechtsanwalt Reime: Die öffentliche Förderung ist eine Chance – aber auch eine Verantwortung. Die SelbstBaue.G. bekommt damit nicht nur Unterstützung, sondern verpflichtet sich im Gegenzug, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und bestimmte soziale oder ökologische Standards einzuhalten. Aus rechtlicher Sicht bedeutet das: Die Verwendung der Fördermittel muss nachvollziehbar dokumentiert sein, und die Vergabe der Wohnungen darf nicht willkürlich erfolgen. Die Mitglieder der Genossenschaft haben das Recht, über solche Entwicklungen informiert zu werden und mitzuentscheiden.

Interviewer: Was müssen Interessierte oder neue Mitglieder bei einer Genossenschaft wie der SelbstBaue.G. beachten?

Rechtsanwalt Reime: Zunächst: Eine Genossenschaft ist keine klassische Vermietungsgesellschaft. Wer Mitglied wird, beteiligt sich finanziell – meist durch Genossenschaftsanteile – und hat im Gegenzug ein dauerhaftes Nutzungsrecht an einer Wohnung. Das bringt viele Vorteile, aber auch Pflichten. Wichtig ist, dass Interessierte vor dem Beitritt genau prüfen, welche Mitbestimmungsrechte sie haben, wie transparent wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden und ob es eine ordentliche Kontrolle durch Aufsichtsgremien gibt. Ich empfehle, immer die Satzung und Jahresabschlüsse anzusehen – oder sich rechtlich beraten zu lassen, bevor man Anteile zeichnet.

Interviewer: Welche Schutzmechanismen gibt es für Mitglieder, wenn in einer Genossenschaft etwas schiefläuft?

Rechtsanwalt Reime: Die Mitglieder haben Mitspracherechte in der Generalversammlung – dort können sie etwa den Vorstand entlasten oder kritische Fragen stellen. Wenn es Anzeichen für Misswirtschaft gibt, können Mitglieder gemeinsam Sonderprüfungen beantragen oder sich an Aufsichtsbehörden wenden. Rechtlich gesehen haben sie das Recht auf Einsicht in die Bücher und auf Transparenz bei der Mittelverwendung. Bei geförderten Projekten kann auch die Vergabepraxis überprüft werden. Wichtig ist, dass Mitglieder ihre Rechte kennen und sich aktiv einbringen.

Interviewer: Sehen Sie in Modellen wie der SelbstBaue.G. eine zukunftsfähige Lösung für den Wohnungsmarkt?

Rechtsanwalt Reime: Absolut – wenn sie verantwortungsvoll geführt und transparent kontrolliert werden. Genossenschaften sind keine Spekulationsobjekte, sondern Gemeinschaften. Sie können einen stabilen, sozialen Wohnungsbestand aufbauen, den Markt entlasten und gleichzeitig demokratische Strukturen fördern. Das funktioniert aber nur, wenn nicht nur nach außen mit dem Begriff „Gemeinschaft“ geworben wird, sondern auch intern so gehandelt wird. Und wenn Fördermittel fließen, muss besonders sorgfältig kontrolliert werden, dass sie im Sinne der Allgemeinheit eingesetzt werden.

Interviewer: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Reime.

Rechtsanwalt Reime: Sehr gerne.

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