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Interview mit Rechtsanwalt Reime: Genossenschaftliche Talschaften als Modell zur Sicherung dörflicher Strukturen

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Frage: Herr Reime, in der Schweiz existieren sogenannte Porten, genossenschaftliche Talschaften, die seit Jahrhunderten das dörfliche Leben und den Erhalt der Bausubstanz sichern. Wie bewerten Sie dieses Modell aus rechtlicher Sicht?

Rechtsanwalt Reime: Genossenschaftliche Strukturen sind ein bewährtes Modell der Selbstorganisation und bieten insbesondere in ländlichen Regionen große Vorteile. Die Porten in Splügen zeigen eindrucksvoll, wie solch eine Form der gemeinschaftlichen Verantwortung nicht nur historische Bauten, sondern auch soziale und wirtschaftliche Strukturen langfristig stabilisieren kann. Aus rechtlicher Perspektive sind solche Genossenschaften besonders geeignet, um gemeinschaftliches Eigentum zu verwalten, Verpflichtungen fair zu verteilen und nachhaltige Investitionen zu ermöglichen.

Frage: Welche rechtlichen Herausforderungen sind mit solchen genossenschaftlichen Modellen verbunden?

Rechtsanwalt Reime: Eine der Hauptfragen betrifft die Organisationsstruktur und die Entscheidungsfindung. Genossenschaften müssen klare Regelungen haben, wie Beschlüsse gefasst, Verpflichtungen verteilt und finanzielle Mittel verwaltet werden. Zudem ist die Haftungsfrage von Bedeutung: Wer haftet, wenn bauliche Mängel auftreten oder finanzielle Engpässe entstehen? In der Schweiz gibt es dafür klare gesetzliche Vorgaben, die allerdings je nach Kanton unterschiedlich sein können. Auch das Erbrecht spielt eine Rolle, denn es muss festgelegt werden, wie Anteile an der Genossenschaft vererbt oder verkauft werden können.

Frage: Könnte dieses Modell auch in anderen Ländern, beispielsweise in Deutschland, angewandt werden?

Rechtsanwalt Reime: Absolut. In Deutschland gibt es bereits einige genossenschaftliche Wohn- und Wirtschaftsmodelle, aber die Struktur der Porten ist besonders interessant, weil sie nicht nur Wohnraum, sondern das gesamte soziale und kulturelle Leben eines Dorfes stabilisiert. Das ließe sich auch auf strukturschwache Regionen übertragen, um beispielsweise das Aussterben von Dörfern zu verhindern. Die rechtlichen Grundlagen wären durch das Genossenschaftsgesetz gegeben, allerdings müssten individuelle Satzungen an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden.

Frage: Welche Vorteile bieten genossenschaftliche Modelle für Investoren oder Gemeinden?

Rechtsanwalt Reime: Sie bieten Planungssicherheit, da gemeinschaftliche Strukturen oft stabiler sind als individuelle Eigentumsmodelle. Zudem lassen sich öffentliche Fördermittel oft leichter akquirieren, wenn ein nachhaltiges und soziales Konzept vorliegt. Gemeinden profitieren durch den Erhalt der Infrastruktur, die Belebung des Ortes und die Vermeidung von Leerstand. Auch private Investoren können sich durch Beteiligungen oder langfristige Pachtmodelle engagieren.

Frage: Sehen Sie Risiken oder Schwachstellen in diesem System?

Rechtsanwalt Reime: Jedes genossenschaftliche Modell erfordert ein hohes Maß an Engagement der Beteiligten. Wenn der Gemeinschaftssinn nachlässt oder Konflikte entstehen, kann das den Zusammenhalt gefährden. Deshalb sind gut durchdachte Satzungen und klare Verfahrensregeln essentiell. Zudem besteht das Risiko, dass der Verwaltungsaufwand hoch wird und Mitglieder sich überfordert fühlen. Hier könnte eine professionelle externe Begleitung helfen.

Frage: Abschließend: Wäre es wünschenswert, solche Strukturen gesetzlich stärker zu fördern?

Rechtsanwalt Reime: Ja, definitiv. Gerade in Zeiten des Strukturwandels könnten genossenschaftliche Modelle eine Antwort auf viele Herausforderungen im ländlichen Raum sein. Der Staat könnte durch steuerliche Vorteile, vereinfachte Gründungsverfahren oder gezielte Förderprogramme Anreize schaffen, um mehr Menschen für diese Form des gemeinschaftlichen Wirtschaftens zu begeistern.

Frage: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Reime!

Rechtsanwalt Reime: Sehr gern!

 

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