Interview mit Rechtsanwalt Reime: Steuerliche Auswirkungen des Urteils des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg

Interviewer: Herr Reime, das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat kürzlich entschieden, dass sogenannte „solidarische Mitglieder“ einer Wohnungsbaugenossenschaft steuerlich nicht als Mitglieder im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes gelten. Was bedeutet dieses Urteil und welche Auswirkungen hat es für die betroffenen Genossenschaften?
Rechtsanwalt Reime: Das Urteil des Finanzgerichts hat weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Wohnungsbaugenossenschaften und deren Mitglieder. Die Richter haben klargestellt, dass sogenannte „solidarische Mitglieder“, die keinerlei Stimmrechte oder Förderansprüche haben, steuerlich nicht als Mitglieder im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes anerkannt werden. Dies bedeutet, dass diese Mitglieder nicht in den steuerlichen Vorteil einer Genossenschaftsmitgliedschaft kommen können, wenn sie nicht die Rechte eines ordentlichen Mitglieds besitzen. Diese Unterscheidung hat insbesondere steuerliche Folgen, wenn es um die Frage geht, welche Leistungen der Genossenschaft steuerlich anerkannt werden können.
Interviewer: In der Entscheidung wurde auch das Thema „verdeckte Gewinnausschüttungen“ angesprochen. Was genau versteht man darunter, und warum wurden die Aufwendungen der Genossenschaft für private Zwecke ordentlicher Mitglieder als solche eingestuft?
Rechtsanwalt Reime: Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn ein Unternehmen seinen Gesellschaftern oder Mitgliedern unzulässigerweise Vorteile zukommen lässt, die nicht dem satzungsgemäßen Zweck des Unternehmens dienen. In diesem Fall hat das Gericht entschieden, dass Aufwendungen der Genossenschaft, die für private Zwecke der ordentlichen Mitglieder, wie Reisen oder Bewirtung, verwendet wurden, als verdeckte Gewinnausschüttung gelten. Das bedeutet, dass diese Ausgaben nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen werden können, da sie nicht im Einklang mit dem Förderzweck der Genossenschaft standen. Die Genossenschaft hat in diesen Fällen ihre Mitglieder mit unzulässigen Vorteilen bedacht, was steuerrechtlich als nicht korrekt angesehen wird.
Interviewer: Welche steuerlichen Folgen ergeben sich für die betroffenen Genossenschaften und deren Mitglieder?
Rechtsanwalt Reime: Für die betroffenen Genossenschaften bedeutet das Urteil, dass sie künftig sehr genau darauf achten müssen, dass ihre Ausgaben und die Vergütungen an Mitglieder auch tatsächlich dem satzungsgemäßen Förderzweck dienen. Wenn Gelder für private Zwecke verwendet werden, kann dies zu einer Steuerpflicht führen, die nicht nur die Genossenschaft, sondern auch die betroffenen Mitglieder betrifft. Im schlimmsten Fall könnten auch Steuern nachträglich eingefordert werden, was zu erheblichen Nachzahlungen und gegebenenfalls zu Bußgeldern führen könnte. Für Mitglieder kann es bedeuten, dass sie Leistungen, die sie aufgrund der Genossenschaft erhalten haben, gegebenenfalls als steuerpflichtiges Einkommen versteuern müssen.
Interviewer: Was sollten Genossenschaften und ihre Mitglieder in Zukunft beachten, um steuerliche Probleme zu vermeiden?
Rechtsanwalt Reime: Genossenschaften sollten dringend ihre Satzung und die Nutzung von Geldern prüfen und sicherstellen, dass alle Ausgaben und Leistungen an Mitglieder klar und transparent den satzungsgemäßen Zielen entsprechen. Auch private Ausgaben, die nicht dem Förderzweck dienen, sollten strikt vermieden werden. Für Mitglieder ist es ratsam, sich bewusst zu sein, dass auch sie in der Haftung stehen können, wenn sie von der Genossenschaft Vorteile erhalten, die als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet werden. Eine enge Zusammenarbeit mit einem Steuerberater oder Rechtsanwalt ist hier unbedingt zu empfehlen, um steuerliche Risiken zu vermeiden.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Herr Reime.
Rechtsanwalt Reime: Gerne. Es ist wichtig, dass Genossenschaften und ihre Mitglieder steuerliche Risiken rechtzeitig erkennen und handeln, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Ein gründliches Verständnis der steuerlichen Vorschriften ist unerlässlich, um zukünftige Probleme zu vermeiden.