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Interview mit Rechtsanwalt Reime zur finanziellen Lage der wohnen plus Wangen eG

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Interviewer: Herr Reime, die Bilanz der wohnen plus Wangen eG zeigt eine steigende Verschuldung bei gleichzeitig stagnierendem Eigenkapital. Wie bewerten Sie die finanzielle Situation der Genossenschaft?

Rechtsanwalt Reime: Die Bilanz deutet auf eine stabile, aber hoch verschuldete Vermögensstruktur hin. Die Genossenschaft weist ein hohes Anlagevermögen aus, was für Wohnungsgenossenschaften typisch ist, da sie langfristig in Immobilien investieren. Allerdings ist die hohe Fremdfinanzierung von fast 5,8 Millionen Euro kritisch zu betrachten. Mehr als 65 % der Bilanzsumme besteht aus Verbindlichkeiten, was die Abhängigkeit von Banken erhöht und finanzielle Spielräume einschränken könnte.

Interviewer: Welche Konsequenzen hat diese hohe Verschuldung für die Genossenschaftsmitglieder?

Rechtsanwalt Reime: Grundsätzlich haften die Mitglieder nicht über ihre Geschäftsanteile hinaus, was ihnen eine gewisse Sicherheit bietet. Allerdings bleibt die Frage, wie die Genossenschaft langfristig mit dieser Schuldenlast umgehen wird. Wenn beispielsweise Zinsen steigen oder unerwartete Sanierungskosten auftreten, könnte es notwendig werden, Kapitalerhöhungen oder zusätzliche Umlagen von den Mitgliedern zu verlangen.

Interviewer: Die Genossenschaft hat in 2023 insgesamt 18 neue Mitglieder gewonnen und nur 6 verloren. Ist das ein positives Signal?

Rechtsanwalt Reime: Ja, eine wachsende Mitgliederzahl kann grundsätzlich als positives Zeichen gewertet werden, da sie darauf hindeutet, dass die Genossenschaft weiterhin attraktiv ist. Allerdings ist entscheidend, ob die neuen Einlagen ausreichen, um den Eigenkapitalanteil langfristig zu stabilisieren. Die stagnierende Eigenkapitalentwicklung zeigt, dass der Großteil der Finanzierung über Kredite erfolgt und nicht durch neue Geschäftsguthaben der Mitglieder.

Interviewer: Die langfristigen Verbindlichkeiten der Genossenschaft sind gestiegen. Wie bewerten Sie das?

Rechtsanwalt Reime: Über 5,4 Millionen Euro der Schulden haben eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren, was bedeutet, dass die Genossenschaft langfristig an diese Finanzierungsstruktur gebunden ist. Das kann vorteilhaft sein, wenn niedrige Zinsen gesichert wurden. Allerdings besteht das Risiko, dass zukünftige Umschuldungen zu höheren Zinskosten führen, was die finanzielle Belastung der Genossenschaft verstärken könnte.

Interviewer: Die Bilanz zeigt, dass die Verbindlichkeiten durch eine Grundschuld gesichert sind. Ist das üblich?

Rechtsanwalt Reime: Ja, das ist ein üblicher Mechanismus bei Wohnungsgenossenschaften. Die Banken sichern ihre Kredite durch Grundschulden ab, um im Falle von Zahlungsausfällen auf die Immobilien zugreifen zu können. Das Problem dabei ist, dass eine hohe Beleihung der Immobilien die zukünftige Finanzierung erschweren kann, falls weitere Investitionen nötig werden.

Interviewer: Es gibt keine ausgewiesenen Bilanzgewinne. Ist das ein Problem für die Mitglieder?

Rechtsanwalt Reime: Nicht unbedingt. Genossenschaften sind nicht primär gewinnorientiert, sondern verfolgen das Ziel, ihren Mitgliedern Wohnraum bereitzustellen. Dennoch ist es problematisch, wenn keine finanziellen Rücklagen aufgebaut werden, da dies die Fähigkeit zur Selbstfinanzierung einschränkt. Die Mitglieder sollten darauf achten, ob es eine langfristige Strategie zur Stärkung des Eigenkapitals gibt.

Interviewer: Was raten Sie Genossenschaftsmitgliedern, die sich über die finanzielle Entwicklung Gedanken machen?

Rechtsanwalt Reime: Mitglieder sollten die nächsten Generalversammlungen aufmerksam verfolgen und hinterfragen, wie die Genossenschaft mit der steigenden Schuldenlast umgeht. Insbesondere sollte geklärt werden, ob langfristig Maßnahmen geplant sind, um die Abhängigkeit von Fremdkapital zu reduzieren. Zudem empfehle ich, einen Blick auf die geplanten Investitionen zu werfen und zu prüfen, ob die Ertragslage ausreicht, um die laufenden Verpflichtungen zu decken.

Interviewer: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre Einschätzungen!

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