Interview mit Rechtsanwalt Reime zur Förderung von Sozialgenossenschaften

Frage: Herr Reime, Sozialgenossenschaften werden zunehmend als Mittel zur Lösung gesellschaftlicher Probleme gefördert – besonders in Bayern. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Rechtsanwalt Reime:
Ich halte das für einen sehr sinnvollen und zeitgemäßen Ansatz. Sozialgenossenschaften bieten die Möglichkeit, soziale Ziele mit wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu verbinden – und das auf demokratischer Basis. In einer Zeit, in der der Staat zunehmend an seine Grenzen stößt, können solche Modelle gezielt lokale Probleme aufgreifen, sei es bei der Pflege, bei inklusivem Wohnen oder in der Kinderbetreuung.
Frage: Was sollten Gründungsinitiativen oder Investoren aus rechtlicher Sicht unbedingt beachten?
Reime:
Zunächst ist klarzustellen: Eine Sozialgenossenschaft ist keine klassische Kapitalanlage. Hier geht es um den Förderzweck, nicht um Rendite. Dennoch gibt es erhebliche rechtliche Anforderungen, insbesondere beim Thema Gemeinnützigkeit, bei der Verwendung von Fördermitteln und bei der Mitgliederstruktur. Schon bei der Satzungsgestaltung können Fehler gravierende Folgen haben – zum Beispiel für die steuerliche Anerkennung oder die spätere Mittelverwendung.
Frage: Welche Risiken bestehen aus Sicht der Mitglieder?
Reime:
Rechtlich haften Mitglieder nur mit ihrer Einlage – das ist ein Vorteil. Allerdings bedeutet das auch: Wenn die Genossenschaft wirtschaftlich scheitert, ist das eingezahlte Kapital weg. Zudem sind viele Sozialgenossenschaften auf ehrenamtliches Engagement und Fördermittel angewiesen – was langfristige Stabilität erschweren kann. Wer einsteigt, sollte sich daher die wirtschaftliche Tragfähigkeit und die Personen hinter dem Projekt genau anschauen.
Frage: Wie schätzen Sie die Förderpolitik des Bayerischen Sozialministeriums ein?
Reime:
Die Anschubfinanzierung und die Beratungsangebote sind ein Schritt in die richtige Richtung. Gerade bei sozialen Initiativen fehlt es oft an Startkapital und rechtlicher Expertise. Wichtig ist jedoch, dass diese Förderungen zielgerichtet, transparent und unbürokratisch bleiben. Denn zu oft scheitern Projekte nicht an der Idee, sondern an der Umsetzung und am Papierkrieg.
Frage: Können Sozialgenossenschaften ein Modell für die Zukunft sein?
Reime:
Definitiv. Sie stärken regionale Selbstverantwortung, fördern Teilhabe und bringen Bürger und Fachleute zusammen. Aber: Sie sind kein Selbstläufer. Sie brauchen rechtlich stabile Strukturen, klare Governance-Regeln und einen realistischen wirtschaftlichen Plan. Wenn das gelingt, können sie eine echte Alternative zu kommerziellen Trägern und staatlichen Strukturen sein – gerade dort, wo es um Menschlichkeit und Miteinander geht.