Interview mit Rechtsanwalt Reime zur Insolvenz der Ecovillage Hannover eG: Ein genossenschaftlicher Traum zerplatzt – was Anleger jetzt wissen müssen

Frage: Herr Reime, was genau bedeutet es, wenn eine Genossenschaft wie die Ecovillage Hannover eG ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchführt?
Rechtsanwalt Reime: Das Eigenverwaltungsverfahren ist eine Sonderform der Insolvenz. Die Geschäftsführung bleibt im Amt und versucht, gemeinsam mit einem gerichtlich bestellten Sachwalter die Sanierung selbst zu gestalten. Das kann helfen, das Vertrauen bei Beteiligten zu wahren und Betriebsabläufe stabil zu halten. Aber man darf nicht vergessen: Es handelt sich dennoch um ein Insolvenzverfahren – die wirtschaftliche Lage ist angespannt, und Gläubigerforderungen stehen im Raum.
Frage: Das Projekt war über Jahre hinweg öffentlich gefördert. Wieso ist es trotzdem gescheitert?
Rechtsanwalt Reime: Förderungen sind hilfreich, aber sie ersetzen kein tragfähiges Geschäftsmodell. Beim Ecovillage kamen offenbar mehrere Faktoren zusammen: steigende Baukosten, wirtschaftliche Unsicherheiten, möglicherweise auch eine Überforderung bei Planung und Umsetzung. Solche Projekte leben von Idealismus – was sehr wertvoll ist – aber sie brauchen auch eine belastbare betriebswirtschaftliche Strategie. Wer das vernachlässigt, gerät früher oder später in Schwierigkeiten, besonders in einer Genossenschaft, in der viele Mitglieder auch finanzielle Verantwortung tragen.
Frage: Die Stadt Hannover hat das Gelände inzwischen zurückgekauft. Wie ist das rechtlich einzuordnen?
Rechtsanwalt Reime: Der Rückkauf durch die Stadt kann ein sinnvoller Schritt sein, um das Gelände einer geordneten Nachnutzung zuzuführen. Für die Insolvenzmasse ist das nur dann hilfreich, wenn der Verkaufserlös zur Verfügung steht und zur Befriedigung von Gläubigern beiträgt. Für Genossenschaftsmitglieder bedeutet das aber nicht automatisch, dass sie ihr Geld zurückbekommen. Entscheidend ist, wie hoch die Erlöse im Vergleich zu den Verbindlichkeiten sind.
Frage: Welche Risiken haben Genossenschaftsmitglieder in einem solchen Fall?
Rechtsanwalt Reime: Mitglieder haften grundsätzlich nur mit ihren Einlagen, es sei denn, es besteht eine Nachschusspflicht – was in Baugenossenschaften nicht unüblich ist. In der Praxis verlieren Mitglieder oft ihre Anteile vollständig, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht. Kritisch wird es, wenn Mitglieder zusätzlich Darlehen gewährt oder Bürgschaften übernommen haben. Dann kann sich das finanzielle Risiko deutlich erhöhen. Eine genaue Prüfung der individuellen Verträge ist in solchen Fällen unerlässlich.
Frage: Was sollten Anleger oder Unterstützer aus diesem Fall lernen?
Rechtsanwalt Reime: Projekte wie das Ecovillage verbinden oft soziale, ökologische und gemeinschaftliche Ziele – das ist sehr unterstützenswert. Aber solche Vorhaben brauchen Professionalität. Anleger sollten sich nicht allein von Visionen leiten lassen, sondern auf klare Geschäftspläne, belastbare Kalkulationen und transparente Kommunikation achten. Auch eine unabhängige rechtliche Prüfung vor dem Beitritt zu einer Genossenschaft ist sehr zu empfehlen.
Frage: Welche Empfehlungen würden Sie ähnlichen Initiativen geben?
Rechtsanwalt Reime: Eine genossenschaftliche Idee ist nur so stark wie ihre betriebswirtschaftliche Umsetzung. Projekte dieser Art sollten frühzeitig fachlichen Rat einholen, insbesondere bei Finanzierung, Baurecht und Vertragsstruktur. Zudem ist es wichtig, realistisch zu planen und Rücklagen zu bilden. Eine emotionale Bindung an das Projekt darf nicht dazu führen, dass wirtschaftliche Risiken ausgeblendet werden. Wenn Idealismus auf unternehmerische Sorgfalt trifft, können solche Initiativen auch langfristig bestehen.
Zusammenfassung:
Die Insolvenz der Ecovillage Hannover eG ist ein warnendes Beispiel dafür, dass gute Absichten allein nicht ausreichen. Anleger und Mitglieder sollten sich frühzeitig über ihre Risiken informieren, Genossenschaftsverträge genau prüfen und auf eine professionelle Projektführung achten. Wer sich engagieren möchte, sollte neben dem ökologischen oder sozialen Nutzen auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit hinterfragen.