Pflichteinzahlungen und Einlagezahlungen bei der GENO Wohnbaugenossenschaft eG: Was bedeutet das für Ex-Genossen? – Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek

Redaktion: Herr Blazek, der Insolvenzverwalter der GENO Wohnbaugenossenschaft eG fordert von ehemaligen Genossen rückständige Einlagen ein. Warum sind diese Forderungen überhaupt zulässig?
Daniel Blazek: Die rechtliche Grundlage hierfür ist das Genossenschaftsgesetz (GenG), das klare Regeln für die Einlagenpflichten von Mitgliedern aufstellt. Ein entscheidender Punkt ist, dass bei der GENO Wohnbaugenossenschaft eG die Ratenzahlungsvereinbarungen, die in den Beitrittserklärungen und der Satzung festgehalten wurden, gegen § 15b Abs. 2 GenG verstoßen. Das bedeutet, dass die Stundungsvereinbarungen, also die Möglichkeit, Einlagen über einen längeren Zeitraum in Raten zu zahlen, unwirksam sind. Dies hat zur Folge, dass die betroffenen Genossen die vollen Einlagen auf sämtliche übernommenen Anteile leisten müssen – nicht nur auf die bis zur Insolvenzeröffnung fälligen Raten.
Redaktion: Warum können sich die betroffenen Ex-Genossen nicht einfach auf die Unwirksamkeit der Beitrittsvereinbarungen berufen und ihr Geld zurückfordern?
Daniel Blazek: Das ist eine sehr wichtige Frage. Hier greifen die Grundsätze des fehlerhaften Gesellschaftsbeitritts, die in der Rechtsprechung, gerade im Zusammenhang mit Genossenschaften, entwickelt wurden. Diese Grundsätze besagen, dass selbst ein fehlerhaft oder gar nichtiger Beitritt nicht zur vollständigen Rückabwicklung ex tunc führt, also rückwirkend. Stattdessen wird der Beitritt wie ein wirksamer Gesellschaftsbeitritt behandelt, bis das Mitglied ordnungsgemäß ausscheidet – in diesem Fall erst mit der Insolvenzeröffnung am 1. August 2018. Das bedeutet, dass ein Ex-Genosse mit allen Rechten und Pflichten wie ein ordnungsgemäßes Mitglied zu behandeln ist, und zwar bis zu diesem Zeitpunkt.
Redaktion: Können sich die betroffenen Genossen auf eine Kündigung oder einen Widerruf berufen, um ihre Zahlungsverpflichtungen zu umgehen?
Daniel Blazek: Prinzipiell ja, aber nur wenn diese Maßnahmen vor der Insolvenzeröffnung wirksam erfolgt sind. Eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung, ein Widerruf oder auch die Anfechtung wegen Täuschung könnten einen wirksamen Austritt bewirken. Wer jedoch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch Genosse war, gilt als solcher, und es greift der Grundsatz, dass alle noch ausstehenden Einlagen vollständig in die Insolvenzmasse einzuzahlen sind.
Redaktion: Wie unterscheiden sich Pflichtanteile von freiwillig übernommenen Geschäftsanteilen?
Daniel Blazek: Das Genossenschaftsrecht unterscheidet zwischen Pflichtanteilen und freiwilligen Geschäftsanteilen. Der Pflichtanteil ist der Anteil, den jedes Mitglied übernehmen muss, um der Genossenschaft beizutreten. Darüber hinaus können Mitglieder freiwillig weitere Geschäftsanteile übernehmen, die in der Regel in Raten gezahlt werden. Bei GENO war das Problem, dass für diese freiwilligen Anteile die Vorschrift des § 15b Abs. 2 GenG missachtet wurde. Diese Vorschrift besagt, dass ein Mitglied erst dann weitere Anteile übernehmen darf, wenn die vorherigen vollständig eingezahlt sind. Da diese Regel nicht beachtet wurde, sind die entsprechenden Ratenzahlungsvereinbarungen unwirksam, und die vollen Beträge müssen nachgefordert werden.
Redaktion: Welche Möglichkeiten haben betroffene Ex-Genossen, wenn sie die Forderungen des Insolvenzverwalters nicht in voller Höhe begleichen können?
Daniel Blazek: In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, mit dem Insolvenzverwalter einen Vergleich auszuhandeln. Das bedeutet, der Genosse legt seine wirtschaftlichen Verhältnisse offen und versucht, eine Einigung zu erzielen, um die Forderungen möglicherweise zu reduzieren oder in Raten abzuzahlen. Es ist wichtig, dass betroffene Personen aktiv das Gespräch suchen, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen.
Redaktion: Was raten Sie betroffenen Ex-Genossen der GENO Wohnbaugenossenschaft eG?
Daniel Blazek: Betroffene sollten zunächst ihre individuellen Fälle rechtlich prüfen lassen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Optionen ausgeschöpft werden. Dazu gehört die Überprüfung, ob sie möglicherweise vor der Insolvenzeröffnung wirksam ausgeschieden sind oder ob andere Verteidigungsmöglichkeiten bestehen. Zudem sollten sie aktiv mit dem Insolvenzverwalter kooperieren, um unnötige rechtliche Auseinandersetzungen und zusätzliche Kosten zu vermeiden. Ein frühzeitiges rechtliches Handeln ist in solchen Fällen entscheidend.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Blazek, für die detaillierten Erläuterungen und Ihre rechtlichen Einschätzungen!
Daniel Blazek: Sehr gerne. Ich hoffe, dass betroffene Anleger durch eine fundierte Beratung Klarheit und mögliche Lösungen finden können.